„Klassische Medien müssen um ihre Leuchtturmfunktion kämpfen“

Wie werden aktuell Medien von Kindern genutzt und was kann man als Medienmacher daraus lernen? Darüber sprach Ingo Barlovic im ersten Vortrag des zweiten Tages der Kindermedienkonferenz.

Ingo Barlovic ist geschäftsführender Gesellschafter von iconkids & youth international research aus München, dem größten auf junge Zielgruppen spezialisierten deutschen Markt- und Meinungsforschungsinstitut. Er hat zahlreiche Publikationen zum Thema veröffentlicht, seit 1995 hat er überdies Studien zu nationalen und internationalen Medienmärkten durchgeführt.

Ingo Barlovic, iconkids und youth international research Foto: Gerd Metzner

Ingo Barlovic, iconkids und youth international research Foto: Gerd Metzner

Was die Studien an den Tag bringen

Im ersten Vortrag des zweiten Tages trug Barlovic zahlreiche Studienergebnisse zur Mediennutzung vor. Er begann mit der Feststellung, dass Kindermedien wichtiger seien denn je.

Jedoch hätten klassische Medien ihre Leuchtturmfunktion verloren. Ein warnendes internationales Beispiel sei der Erfolg von Donald Trump: Der designierte US-Präsident habe es geschafft, den Großteil seines Wahlkampfes durch eigene Medienauftritte in den Sozialen Netzwerken zu bestreiten und die Glaubwürdigkeit der klassischen Medien zu unterwandern. Auch in Deutschland seinen solche Entwicklungen möglich.

Internet und Sozialen Netzwerke sind als Informationsquelle problematisch

Viele Kinder und Jugendliche erführen die Welt heutzutage durch soziale Netzwerke wie Facebook. Problematisch sei, dass sie dabei oft ungefiltertem Pseudo-Wissen ausesetzt seien, weshalb die klassischen Medien stärker um die jungen Zielgruppen kämpfen müssten. Laut Statistik informierten sich die 6- bis 16-jährigen US-Amerikaner in erster Linie über das Internet, Zeitungen schnitten am schlechtesten ab. In Deutschland führe das Fernsehen die Statistik an, hierzulande schnittewn Zeitungen jedoch besser ab.

Im Internet geschehe jedoch vieles simultan, dabei fehle es an Tiefe und an Informationshierarchien. Viele Informationen seien zudem personalisiert. Im Zuge des Bologna-Prozesses würden Kinder in der Schule nicht mehr lernen, das große Ganze zu sehen, da sie sich ausschließlich von Prüfung zu Prüfung hangeln müssten. So würde auch in der Schule nicht mehr langfristig gedacht. Deshalb forderte Barlovic die klassischen Medien dazu auf, um die Leuchtturmsfunktion zu kämpfen und auch langfristige Einordnungen zu bieten, um den jüngeren Lesern Orientierung zu geben.

Medien müssen sich um ihre „Gatekeeper“ kümmern

Es sei wichtig, seine Gatekeeper, sprich die Eltern oder Erwachsenen, über die Kinder an Medien gelangen, zu pflegen. Dies verdeutlichte Barlovic anhand von Statistiken, die zeigten, dass Medien wie Geolino oder Dein Spiegel, also von Eltern als wertvoll empfundene Produkte, weiterhin konstant von Kindern gelesen werden würden. Die Bravo habe hingegen sehr stark an Auflage verloren, da sie nicht von Eltern gekauft werde.

An Zielgruppen orientieren

Weiterhin müsse man stärker zielgruppenorientiert denken. Das Motto „One size fits all“ treffe so nicht mehr zu, erklärte Barlovic. Vielmehr sei es wichtig, dass auch Medien Marketingtrends aufgriffen. Anstatt „Gendermarketing“ und „Rosafizierung“ und die Verbreitung von falschen Rollenbildern zu kritisieren, sei es vielmehr nötig, neue Rollenbilder in vermeintlich alte Klischees einzubauen. So führe Disney derzeit viele feminine und schöne, jedoch gleichermaßen selbstbewusste und mutige Frauen ein, wie etwa die Kämpferin Merida. Ein anderes Vorbild sei die Kriegerin Katniss Everdeen aus „Tribute von Panem“. Auch die Spielzeugbranche greife solche neuen Vorbilder auf. So seien mittlerweile auch Spielzeugwaffen für Mädchen auf dem Markt. Auch für Medienmacher sei es wichtig, Ästhetiken zu übernehmen, aber dadurch neue Ideen und Rollenbilder zu übermitteln.

„Es ist wichtig zu wissen, für wen man schreibt“, betonte Barlovic. So fänden laut Studie sowohl Jungen als auch Mädchen Berichte über Tierschützer interessant, jedoch aus unterschiedlichen Gründen. Die Jungen sähen sie als coole Helden, den Mädchen ging es eher um die süßen Tiere, die sie selbst schützen wollen. Generell müsse man gängige Vorbilder nutzen, um die eigenen Artikel aufzupeppen. Jede Generation habe andere Anforderungen an Ästhetik. So hätten angfristig erolgreiche Formate, wie etwa Biene Maja oder Vicki im Laufe der Zeit ihre Darstellung an aktuelle Standards angepasst.

Sollten Medienmacher auf Lizenzen setzen?

Das Problem der Lizenzen sei, dass man nicht wissen könne, wie lange sie tatsächlich aktuell sind. Zumindest könne man erfolgreiche Lizenzen wie etwa „Tom und Jerry“ als Versatzstück nehmen, um die eigene Botschaft zu verpacken.

Die Vernetzung der eigenen Medienauftritte ist wichtig

Die Entwicklung des Medienmarktes sei schwer absehbar. Noch spiele das Fernsehen die erste Geige, doch neue Medien wie das Smartphone oder das Tablet seien auch bei Kindern im Kommen.

Bereits Vier- bis Fünjährige würden mit der Nutzung von Apps aufwachsen. Es sei deshalb durchaus möglich, dass Apps in Zukunft die klassische Webseiten ablösen werden. Da jedoch überwiegend kostenfreie Apps genutzt würden und weniger Möglichkeiten für Werbeanzeigen böten als Webseiten, sei es zwingend notwendig, beide Formate miteinander zu verbinden.

Wohin entwickelt sich der deutsche Kindermedienmarkt?

Tatsächlich würden hierzulande mehr Kinder auf Zeitungen und Bücher zurückgreifen als anderswo. Kinder seien weniger internetaffin als etwa in den USA oder Russland. Auch würden sie weniger von sich im Internet preisgeben, als in anderen Ländern. Trotzdem seien die Veränderungen auch hierzulande spürbar.

Text: Max Wiegand