Was bei den Kids ankommt

Donnerstagmittag standen auf der Kindermedienkonferenz Best Practice-Beispiele aus ganz Deutschland auf dem Programm

Clemens Stolzenberg von der bpb stellte die „Begriffswelten Islam“, ein Youtube-Projekt, vor, Georg Konstantinow und Ina Reinhart vom SHZ prĂ€sentierten das Bildungsprojekt „Willkommen in Schleswig-Holstein, und Ira Kugel von der dpa fĂŒhrte in die Web-App dpa-Juniorline ein.

Clemens Stolzenberg, bpb, und Moderatorin Anna Hoff, bpb Foto: Gerd Metzner

Clemens Stolzenberg, bpb, und Moderatorin Anna Hoff, bpb Foto: Gerd Metzner

„Begriffswelten Islam“, YouTube Informationsangebote fĂŒr junge Menschen der bpb

Die Erfahrungen im Umgang mit KanÀlen wie Youtube und Social Media sind jung. Welche neuen AnsÀtze gibt es dazu?

Clemens Stolzenberg, Referent bei der Bundeszentrale fĂŒr politische Bildung (bpb), entwickelt Angebote und Projekte der politischen Jugendbildung mit Bewegtbild fĂŒr Fernsehen und Internet. Seit 2014 sei das Thema „Islam“ zunehmend diskutiert worden. Dabei sei festzustellen gewesen, dass Jugendliche beim Surfen durchs Internet auf viele Halbwahrheiten und einseitige Informationen „mit Schlagseite“ gestoßen seien. Um dem entgegenzuwirken, habe die bpb die „Begriffswelt Islam“ ins Leben gerufen. Das Projekt arbeitet mit Youtubern zusammen, die in einer jungen Zielgruppe bekannt seien. Entscheidend fĂŒr die Auswahl sei ihre eigene, „intrinsische“ Motivation gewesen, ĂŒber Islam zu berichten . In der Umsetzung sei das Thema „elementarisiert“ worden. In anderen Worten: Es gehe darum, KomplexitĂ€t zu reduzieren, ohne Sachverhalte zu verfĂ€lschen.

Als Beispiel wurde dem Publikum ein Video vorgefĂŒhrt, in dem Hatrice Schmidt den Begriff „Umma“ erklĂ€rt. Hatice, selbst praktizierende Muslimin, erklĂ€rt in rund 3,5 Minuten, dass Umma „Gemeinschaft“ bedeute: Umma meinte ursprĂŒnglich den Stammesverbund rund um Medina. SpĂ€ter im Koran bezeichnete das Wort die Gemeinschaft aller Menschheit in ihrer ganzen Vielfalt – Christen und Juden eingeschlossen. Die ErlĂ€uterungen sind mit Illustrationen unterlegt. In der Abmoderation bedankt Hatice sich explizit fĂŒr die UnterstĂŒtzung durch die bpb und macht damit den Rahmen deutlich.

Bestimmt eine Youtuberin das Thema ihres Video zur Begriffswelt Islam allein?

Die bpb sucht Youtuber aus, die erfolgreich KanĂ€le betreiben und damit eine eigene, junge Zielgruppe haben. Hatice eigne sich besonders gut, da sie das Thema Islam nicht aus der Distanz der Wissenschaftlerin angehe, sondern die Themen aus ihrer eigenen Lebenswelt erklĂ€re. Deshalb lasse man ihr einen möglichst großen Spielraum. Allerdings stecke ein Skript den Rahmen ab, das in der Auseinandersetzung mit den potenziellen Zielgruppen und dem Thema Islam erstellt worden sei. Aus der Schnittmenge zwischen Skript und Arbeit der ausgesuchten Youtuber ergĂ€ben sich dann die Themen fĂŒr die BeitrĂ€ge. In bestimmten Formaten spricht Hatice auch mit Wissenschaftlern.

Wie schĂŒtzt man sich gegen rechtsextreme Kader?

Im Team „Begriffswelten Islam“ arbeiten rund 15 Leute, darunter mehrere Islamwissenschaftler, und drei Community-Manager, die die Diskussionen zu den BeitrĂ€gen moderieren, spezifische Fragen vertiefen und Trolle verhindern wĂŒrden. Im Falle von Hasskommentaren mĂŒsse der Umgang einzeln entschieden werden. Eine kleine Whats-App-Gruppe entscheide innerhalb von Minuten und rund um die Uhr in jedem Einzelfall, wie man mit bestimmten rechtsradikalen Kommentaren umgehen wollten: Löschen oder stehen lassen. In einem Fall – fĂŒnf rechtsradikale Kommentare, die innerhalb weniger Minuten zum Thema Dschihad gepostet wurden – habe das Stehenlasse die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft erleichtert. Außerdem wollte man in diesem Fall die Kommentare kĂŒnstlerisch weiterverarbeiten

Wie kommt das Angebot an?

Verglichen mit den mehreren Millionen Besuchern der Youtube-Angebote von Stars wie LeFloid wirkten die rund 61150 Aufrufe von Hatices Video zwar nicht so hoch. Als Erfolg sei zu nennen, dass die Beteiligung auf dem Kanal mit ĂŒber 6600 Kommentaren sehr hoch sei: 95 Prozent der Kommentare seien positiv. Heißt: „Die, die die Tuber mögen, reagieren auch positiv darauf“, sagt Stolzenberg. Das bestĂ€tige auch den Ansatz. Wenn man diese Zielgruppen erreichen wolle, mĂŒsse man die KanĂ€le der professionellen Youtuber nutzen.

Und nach welchen Kriterien werden die Youtuber ausgewÀhlt?

Es gebe unter Youtuber Journalisten, Autodidakten und Schauspieler. „Das vermischt sich in diesem neuen Medium“, sagt Stolzenberg und wĂ€gt ab: Youtuber mĂŒssten Geld verdienen, wenn sie ihre KanĂ€le als Profession ausĂŒben. Es sei zeitaufwendig, diese Filme zu produzieren. Deshalb gebe es ein Dilemma: „Entweder ich ziehe mich zurĂŒck und verweigere die Zusammenarbeit mit erfolgreichen Youtubern.“ Dann erreiche man aber auch nicht deren Zielgruppen. „Oder ich arbeite mit Youtubern und kennzeichne den Beitrag entsprechend.“ Gegen schlecht erkennbare Werbung gebe es inzwischen auch Richtlinien, die man in der Zusammenarbeit befolge. „Die funktionieren inzwischen sehr gut.“

Georg Konstantinow, SHZ, Moderatorin Anna Hoff und Ina Reinhart, SHZ Foto: Gerd Metzner

Georg Konstantinow, SHZ, Moderatorin Anna Hoff und Ina Reinhart, SHZ Foto: Gerd Metzner

Willkommen in Schleswig-Holstein“ – ein Projekt des SHZ

Willkommensklassen – ein bedeutendes Thema, seit im Jahr 2015 Hunderttausende FlĂŒchtlinge Deutschland erreichten. Der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag wollte angesichts dieser Lage einen Beitrag zur Integration leisten. Es entstand die Idee fĂŒr das Projekt „Willkommen in Schleswig-Holstein“. Grundgedanke war: Deutsch lernen mit der Tageszeitung. Der Verlag liefert die Zeitung und das begleitende Lehrmaterial mit SprachĂŒbungen in die Willkommensklassen. Die PĂ€dagogen und SchĂŒler arbeiten dann damit. Mehr als 70 Bildungseinrichtungen beteiligten sich an dem Projekt.

Die Tageszeitung plus pÀdagogisches Material

Die Materialpakete setzen sich aus vier Modulen zusammen und wurden gemeinsam mit der Medienagentur MCT aus Dortmund entwickelt. Das Material ist an die jeweilige Altersgruppe angepasst und berĂŒcksichtigt verschiedene Lebenswelten und Niveaustufen. Eine Aufgabe ist beispielsweise, jeden Tag ein neues Wort aus der Zeitung zu suchen.

Die AktualitĂ€t des Tagesgeschehens sollte damit in den Unterricht eingebracht werden. „Mit der Tageszeitung sollen die Kinder zum Beispiel einen Einblick in die Gemeinde bekommen, in der sie sich aufhalten“ fĂŒhrte Konstantinow aus. Die Teilnehmer erlernen anhand von Bildern und Grafiken auch, wie eine Zeitung aufgebaut ist – Unter-6-JĂ€hrige bis hin zu jungen Erwachsenen. Diese können beispielsweise erfahren, wie die Jobsuche in Deutschland funktioniert. Insgesamt verwenden 160 LehrkrĂ€fte die ÜbungsplĂ€ne in ihrem Unterricht, 2.200 Kinder und Jugendliche sind an dem Projekt beteiligt.

Ira Kugel, dpa Foto: Gerd Metzner

Ira Kugel, dpa Foto: Gerd Metzner

Die Web-App der dpa-Juniorline

Seit zehn Jahren verfĂŒgt die dpa ĂŒber eine eigene Redaktion, die ausschließlich Nachrichten fĂŒr Kinder produziert. Ira Kugel leitet sie seit Februar dieses Jahres. „Unsere Kunden sind vor allem Tageszeitungen“, erklĂ€rt sie. Diesen stelle man Texte, Fotos und Grafiken zur VerfĂŒgung. „In den letzten Jahren steigerte sich der Bedarf der Kunden an Online-Inhalten“, erzĂ€hlt Kugel. Da die Entwicklung einer eigenen Kinder-Seite jedoch viel Arbeit fĂŒr die Redaktionen bedeute, habe sich dpa-Kinderredaktion dazu entschlossen, eine eigene Kinder-App zu entwickeln.

Wie funktioniert die App?

Die Web-App der dpa-Juniorline sei keine klassische App fĂŒr mobile GerĂ€te, sondern als Webseite im Netz zu finden. „Um sie als App auf dem Smartphone oder Tablet zu nutzen, können Kinder sie jedoch als Lesezeichen markieren“, erklĂ€rt Kugel.

Was gibt es da zu sehen?

Im Vorfeld habe die Redaktion Ideen entworfen und sie anschließend einigen Kindern vorgefĂŒhrt. „So erfuhren wir, was sie besonders anspricht“, erzĂ€hlt die Redaktionsleiterin. Letztliche habe man sich fĂŒr ein Kachelprinzip entschieden, bei dem ansprechende Fotos und Überschriften den Kindern „Lust auf mehr“ machten und sie zu schnell zu den fĂŒr sie interessanten Inhalten gelangen können. Weitere Features seien wechselnde Bildergalerien sowie interaktive ErklĂ€rgrafiken. „Wir zeigen etwa, wie ein Braunkohle-Kraftwerk funktioniert, oder woher wir unseren Strom beziehen“, nennt Kugel Beispiele. Außerdem biete neben informativen Inhalten auch Unterhaltungsformate, wie etwa Spiele an.

Kann man die Inhalte individualisieren?

Am Beispiel des Hellweger Anzeigers zeigt Kugel, inwiefern Kunden die App an ihre eigenen Vorstellungen anpassen können. So könne man etwa eigene Reiter einbauen, um die eigene Optik zu ĂŒbernehmen. Außerdem wurde das Maskottchen der Kinderredaktion eingebaut. Inhaltlich binde der Hellweger Anzeiger selbst regionale Nachrichten ein, wĂ€hrend die dpa deutschlandweite Nachrichten liefere.

„Die bisherige App dient als GrundgerĂŒst und ist durchaus noch erweiterbar“, erklĂ€rt Kugel. In Zukunft wolle sie etwa verstĂ€rkt auf Bewegtbilder setzen.

Text: Till Schröder, Stefan Wirner, Max Wiegand