„Cool sein ist nicht das oberste Gebot“

Das Kinder und Jugend Marketing Kontor entwickelt Strategien für Unternehmen, die Produkte für Kinder anbieten wollen. Geschäftsführerin Carola Laun über eine Zielgruppe mit Potenzial.

Frau Laun, auf der Seite des Kinder & Jugend Marketing Kontors (KJMK) findet sich ein Glossar zum Thema Kinder- und Jugendmarketing, in dem Begriffe wie „quengeln“, „cool“ und „Taschengeld“ erläutert werden. Wie nah muss man in Ihrem Job an der Zielgruppe sein?

Carola Laun

Carola Laun

Man muss Empathie und ein wirkliches Interesse für Kinder bei der Art von Arbeit mitbringen, die wir machen. Meiner Meinung nach ist das die Voraussetzung, um erfolgreiche Marketingstrategien zu entwickeln. Leider gibt es immer noch zu wenige Fortbildungen und Literatur für Kinder- und Jugendmarketing – und zu wenige Spezialisierungen. Und auch in Unternehmen werden eher die jungen Mitarbeiter mit Kindermedien betraut, mit dem Argument: Mach du das mal, du bist noch nah dran. Die Schwierigkeit besteht tatsächlich darin, dass man oft von der eigenen Kindheit ausgeht. Doch Kinder machen sehr schnelle, sehr große Sprünge in ihrer Entwicklung und haben ganz unterschiedliche Hintergründe. Man muss schon sehr genau hinschauen: In welcher Entwicklungsphase spricht man die jungen Menschen an? Wo setzt man an, wenn man längerfristig denken will? Welche Botschaften hat man? Das sind die ersten ­großen Herausforderungen bei dieser Zielgruppe, aber gerade das macht auch am meisten Spaß.

Für wen entwickeln Sie Marketingstrategien?

Für Unternehmen und Organisationen, für die Kinder nicht die primäre Zielgruppe sind, sondern eher Kunden, Spender oder Mitglieder der Zukunft. Darunter sind der World Wildlife Fund (WWF), SOS Kinderdorf, die Aktion Mensch, aber darunter sind auch Wohnungs­bauunternehmen oder Kulturstiftungen.

Was würden Sie Lokalredaktionen raten, die mit dem Wunsch, ein Angebot für Kinder aufzubauen, an Sie herantreten?

Bei Zeitungen sehe ich drei Bereiche: Ers­tens Angebote, die ans Zeitungslesen heranführen sollen, zweitens ein eigenständiges Format für Kinder inklusive Kinderredak­tion, drittens allgemeine Imagemaßnahmen für die Medien­marke. Bei Letzterem spricht man über Kinder­aktionen vor allem auch die Erwach­senen an. Immer muss man genau hinschauen: Was sind die Ziele und wo sind die Ansatzpunkte?

Geht es darum, Inhalte zu vermarkten oder erste Kontakte zur Marke aufzubauen?

Diese Frage sollte sich ein Verlag stellen.

Sind Kinder und Jugendliche in der Zeitungs­branche eine vernachlässigte Zielgruppe?

Wenn man sich die Angebote von Lokalredaktionen anschaut, bekommt man schnell den Eindruck, dass es immer wieder die gleichen, oft etwas fantasielosen Angebote sind. Da sind meistens zwei, drei Artikel für Kinder ­irgendwo eingebaut oder vielleicht auch mal eine Seite. Aber viel mehr passiert oft nicht. Wenn man sich auf überregionaler Ebene aber anschaut, was beispielsweise Die Zeit mit dem Magazin Zeit Leo sehr erfolgreich praktiziert, dann gibt es durchaus Potenzial im Print. Zeitungs­projekte für Schüler sind für Kinder sehr attraktiv, für Jugendliche könnte ein digitales Projekt attraktiver sein.

Was verstehen Sie in diesem Zusammenhang unter dem Stichwort „Earned Media“?

Ich nutze gern die Unterteilung der Kommunikationskanäle nach „Owned“, „Paid“ und „Earned Media“. Owned Media sind die eigenen Angebote, beispielsweise ein Kinderclub oder eine eigene Kinderzeitschrift, dort ist besonders Corporate Publishing verbreitet. Paid Media ist das, wofür man bezahlt und womit man Reich­weite generieren will. Und ­Earned Media ist der Bereich, bei dem sich das Unternehmen die Reichweite erst verdienen muss. Bei Jugendlichen fällt dieser Bereich besonders ins Gewicht, da passiert viel über den Share-Effekt: Inhalte werden in den Sozialen Netzwerken gepostet und – wenn sie attraktiv und relevant sind – von Jugendlichen ­geteilt. Bei Kindern ist der Radius, in dem sie im Netz unterwegs sind, allerdings noch sehr beschränkt.

Wie wichtig ist es für das Unternehmen, mit seinen Kinderangeboten „cool“ zu sein?

Cool sein und sich anbiedern liegen extrem nah beieinander, hier müssen Marketing­treibende gut aufpassen. Während ein jugend­gerechtes Design eher eine Codierung im Hintergrund ist, anhand welcher die Kinder und Jugendlichen erkennen, dass es hier um sie geht, muss cool nicht das oberste Gebot für das Marketing sein. Viel wichtiger ist es, dass Angebote und Kommunikation zwar die Lebens­welt der jungen Menschen aufgreifen, aber dennoch zum Unternehmen passen. Die Entwicklungssprünge sind auch eher fließende Übergänge: Während ein 13-Jähriger sich in der Schule an den Älteren orientiert, nimmt er beim Familienausflug mit kleineren Geschwistern vielleicht gern auch noch an Kinderaktionen teil. Kinder erkennen bei bunten Farben und Comicfiguren sofort, dass sie gemeint sind. Dennoch gilt es auch hier, Angebote zu machen und Botschaften zu vermitteln, die auch Bezug zum Unter­nehmen haben.

Verlagshäuser argumentieren ­häufig damit, dass Kinder keine attraktive ­Zielgruppe sind, weil sie zu wenig Geld einbringen. Welche Strategien gibt es für Lokalredaktionen, ihr geplantes Kindermedienangebot intern zu vermarkten?

Wer sich als Chefredakteur oder Redaktions­leiter ein Angebot für Kinder und Jugendliche ausdenkt, sollte sich auf jeden Fall den Rückhalt aus der Verlagsleitung holen. Ich erlebe immer, dass diese Angebote am ehesten ­gestrichen werden, wenn die ­Zahlen wieder einmal nicht stimmen, vor allem wenn die Führungs­etage nicht ganz von der Notwendig­keit dieser Angebote überzeugt ist.

Hand aufs Herz: Wie notwendig sind ­diese Angebote?

Jedes Unternehmen, das längerfristig planen will, kommt an dieser Zielgruppe nicht vorbei. Schauen Sie in den Bereich des Employer Brandings, bei dem sich ein Unternehmen als attraktiver Arbeitgeber präsentiert. Das Bewusst­sein dafür wird immer stärker, hier auch schon Berufseinsteiger als Nachwuchs­kräfte zu werben. Das sieht man etwa anhand spezieller Ausbildungs- oder ­Studentenmessen oder eben auch im Rahmen verschiedener Angebote, bei denen sich ein Unternehmen schon an Acht- bis Zwölf-jährige wendet und kindgerecht zeigt, wie ein bestimmter Beruf aussieht, und die Firma vorstellt.

Das würde für Zeitungsverlage bedeuten, dass sie sich als Zukunftsbranche präsentieren müssten.

Mir fällt da auf Anhieb eine ganze Reihe von spannenden Kinderprojekten ein, die man für Zeitungen realisieren könnte. Zeitungen haben in Europa so einen wichtigen Stellenwert und einen gesellschaftlichen Auftrag, darauf kann man aufbauen. Aber am Ende stehen natürlich immer die Zahlen und der Unternehmer fragt: Was kostet mich das und was kommt dabei für mich rum? Da muss man im Bereich Kinder- und Jugendmarketing immer noch viel Überzeugungsarbeit leisten.

Interview: Cosima Grohmann