„Die Kinder ermuntern, selbst zu entscheiden“

Wie führe ich mein Kind an die Welt der Medien heran? Die Internetseite Schau-hin.info bietet Eltern Hilfestellung.

„Schau hin!“ – so nennt sich ein Ratgeber für Familien, der Eltern und Erziehende über neueste Entwicklungen in der Welt der ­Medien aufklärt und ihnen Tipps gibt, wie sie den Medienkonsum ihrer Kinder begleiten können. Dabei geht es um vielfältige Themen wie etwa Werbung, Datenschutz, Cybermobbing oder Mediensucht.

Kristin Langer ist Mediencoach bei Schau hin!

Kristin Langer ist Mediencoach bei Schau hin!

„Schau hin!“ ist eine Initiative des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Zusammenarbeit mit ARD, ZDF und der Zeitschrift TV Spielfilm. Wir sprachen mit der Medienpädagogin Kristin Langer, die als Mediencoach für „Schau hin!“ arbeitet.

Frau Langer, mit welchen Fragen zum Thema Medienkonsum von Kindern ­wenden sich Eltern an Sie?

Die Fragen orientieren sich meist am Alter der Kinder. Dabei geht es häufig um die Themen Geräteanschaffung und Gerätenutzung: Ab welchem Alter kann was genutzt werden, was ist schädlich, was ist verträglich? Häufig ist auch die Nutzungsdauer ein Thema. Oft fragen sich Eltern, wo Mediensucht anfängt und worauf sie aufpassen müssen. Auch Sicherheitsfragen werden gestellt, vor allem wenn es sich um jüngere Kinder handelt, aber auch bei Teenagern. In den letzten zwei, drei Jahren geht es vielfach um Fragen des sozialen Drucks, dem sich die Kinder oder auch die Eltern ausgesetzt fühlen. Fragen wie: Muss ich meinem Kind die Nutzung von WhatsApp erlauben? Braucht es ein schickes Smartphone, damit es sich nicht ausgegrenzt fühlt? Nicht zuletzt dreht es sich auch um einzelne Inhalte, vor allem bei Computerspielen. Da wollen ­Eltern wissen, ob bestimmte Spiele oder Apps für das jeweilige Alter geeignet sind und was wir empfehlen.

Wie verändert der digitale Wandel die Medienwahrnehmung von Kindern?

Kinder bauen bereits ab dem Grundschulalter Mediengeräte und Medienprodukte – Filme, Fotos, auch Podcasts – viel selbstverständlicher in ihren Alltag ein, als das frühere ­Generationen taten. Da wird mal eben nachge­sehen, was ein Wort bedeutet, da wird in diesen oder jenen Film reingeschaut, gechattet usw. Kinder sind heute um einiges selbstständiger in der Nutzung von Medien, weil Inhalte leichter zugänglich sind, Kommunikation schneller ist als früher. Ich erlebe Kinder insgesamt als neugierig, sie sind fasziniert von den digitalen Angeboten und freudig ­motiviert, Ent­deckungen zu machen.

Welche Probleme bringt die Medien­nutzung mit sich?

Risiken stecken natürlich im Bereich des Datenschutzes, der Privatsphäre und des Rechts. Da geht es um Fragen wie: Ab wann darf ich ein Portal nutzen, mache ich mich strafbar, wenn ich Fotos von anderen verbreite, wo melde ich mich wie an, mit welchen Angaben usw. Beim Thema, wie diese digitale Welt eigentlich genau funktioniert, fühlen sich Eltern oft unter Druck, sich zu informieren und Bescheid zu wissen. Das ist ein weites Feld geworden, und häufig gibt es Reibungspunkte in den Familien, weil Eltern Dinge anders einschätzen als ihre Kinder. Konflikte entstehen auch deshalb, weil man erst eine Struktur finden muss, die für die jeweilige Familie verträglich ist.

Sollten Lokalzeitungen den Eltern bei dem Thema mehr Hilfestellung geben? Wie könnte das aussehen?

Lokalzeitungen könnten die Eltern vor allem in aktuellen Fragen unterstützen. Das können zum Beispiel Hinweise sein, wo man unabhängig von den Anbietern sachliche Informationen findet. Lokaljournalismus kann Wissen vermitteln, Informationen gebündelt zugänglich machen, das können Erfahrungsberichte sein, etwa wenn es um eine neue App geht, da kann das Urteil der Wissenschaft eine Rolle spielen, und das so seriös und nachvollziehbar aufbereitet wie möglich. In Dossiers und Themenreihen könnte auch Hintergrundwissen aus verschiedenen Perspektiven vermittelt werden. Eltern wird es so ermöglicht, sich eine eigene Meinung zu bilden und Entscheidungen zu treffen.

Und welche Hilfestellung können Lokaljournalisten Kindern geben?

Nehmen wir zum Beispiel Pokémon Go. Man könnte das Spiel vorstellen, dem Kind erklären, was die App bietet und worauf es aufpassen muss, zum Beispiel in Sachen ­Datenschutz. Man könnte die Kinder ermuntern, selbst für sich zu entscheiden, ob die App etwas für sie ist, auch wenn alle sie ­nutzen. Das sollte man übrigens auch den Eltern vermitteln. Es geht darum zu zeigen, dass es zwar immer neue Trends gibt, aber dass Mediennutzung etwas mit den eigenen Vorlieben und Neigungen zu tun hat, und dass es legitim ist, sich auch ­gegen einen Trend zu entscheiden und anders zu handeln, als es viele tun.

Kinder sind eine wichtige Zielgruppe und die Leser von morgen. Glauben Sie, die Verlage gehen heute schon adäquat und auf der Höhe der Zeit mit dieser Zielgruppe um? Zum Beispiel, wenn Sie sich Kinderseiten in Zeitungen ansehen?

Eine Kinderseite sollte so gestaltet sein, dass die Kinder dort ihre Vorlieben und Interessen wiederfinden. Grundsätzlich finde ich es gut, Kindern Printangebote zu machen, gerade jenen, die sich dem Lesen nähern wie zum Beispiel Schulanfänger. Aber Kinder lieben es natürlich, wenn eine Sache interaktiv ist. Das wird sich in Zukunft noch verstärken. Wenn sie ein Bild sehen, wollen sie auch drauf­klicken und sehen, ob sich etwas bewegt. Aber das heißt nicht, dass deswegen die Angebote schlecht sind, die bereits existieren. Für Kinder und Heranwachsende ist es wichtig, viele verschiedene Dinge kennenzulernen, sie einzuordnen, die Besonderheiten und den Nutzen zu erkennen. Es kann auch mal reichen, nur etwas zu lesen und das für sich zu machen. Es gibt viele unterschiedliche Facetten des Mediengebrauchs. Medien werden situativ und je nach Befindlichkeit genutzt. Da kann die Zeitung heute ein Geschenk des Himmels sein, morgen nervt sie, weil man sich nicht zurechtfindet, übermorgen sieht es wieder anders aus. Es ist also abhängig davon, wo man sich gerade befindet und womit man sich beschäftigen mag.

Viele Verlage nutzen nach Facebook jetzt auch Snapchat, weil sie glauben, dort an die Zielgruppe heranzukommen. Was denken Sie darüber? Muss man überall dabei sein?

Man muss sich klarmachen, ab welchem ­Alter diese Medien laut Geschäftsbedingung zum Beispiel zugelassen sind. Man muss ja als Verlag auch seriös bleiben. Auf Snapchat Achtjährige anzusprechen, fände ich unse­riös. Snapchat ist erst ab 13 zugelassen. Das würde ich mir als Entscheider in einem Verlag schon genau überlegen. Facebook hingegen ist eine Community mit fast zwei Milliarden Mitgliedern. Das ist für Kinder ein unüberschaubares Feld und absolut riskant. Auch wenn viele sich da tummeln – wobei die Zahlen bei Kindern derzeit zurückgehen –, sollte man sich genau überlegen, was auf diesen Kanälen überhaupt Sinn macht.

Interview: Stefan Wirner